Wolfgang Jorzik it's about photography and other things that happen in life

Reizklima und Verführung
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Werner Weber

Die neuste Atelierausstellung des Kölner Künstlers Werner Weber „Reizklima“ ist eine Wandereinladung ans Auge und der Phantasie. Die kleinformatigen Arbeiten (etwa 40 an der Zahl) verführen ganz reizend den Blick und wirken trotz unerwarteter Farbgebung harmonisch und ausgeglichen. Grundlage der Arbeiten sind ältere Kalenderblätter mit Landschaftsmotiven aus dem Alpenraum, die Werner Weber in diesem Jahr modifiziert hat. Seine Übermalungen, dünn lasierend oder pastos aufgetragen, sowie filigrane Aussparungen, die die Kalenderblattwirklichkeit wie gezeichnet auftauchen lässt und sich teilweise erst bei genauem Hinschauen erkennbar wird, lassen jenseits der Kalenderbilder völlig neue Bilder entstehen – auch wenn die Landschafts- oder Himmelsstrukturen der Vorlagen meist erhalten bleiben. Mögen Kalenderbilder aus Bergregionen schnell kitschig wirken oder wie der „röhrende Hirsch“ für eine tradierte Heimeligkeit stehen, überraschen die Überarbeitungen mit ihren Überbetonungen: Ein Bergglühen in leuchtenden Rot- und Purpurtönen, spektakuläre Wolkenformationen in Gelb oder Grün, Felsen oberhalb der Baumgrenze in Warnorange. Eine Gratwanderung, die der Künstler offenbar ohne Angst vor Kitsch und dessen so verpönten Anklängen eingeschlagen hat und er hat dabei sicher die Kurve gekriegt. Sein Zyklus „Reizklima“ meistert die Herausforderung, der sich Landschaftsmalerei zu stellen hat, wenn sie Landschaft nicht nur illustrierend und bunt aufs Papier oder die Leinwand bringen will.

Gedränge bei der Eröffnung

Gedränge bei der Eröffnung

Nachträglicher Einschub (28.10.14): Kurz nachdem ich diesen Text veröffentlicht hatte, sinnierte ich weiter über das Gesehene und stolperte dabei erneut über den flüchtigen Gedanken an Caspar David Friedrich, den ich erstmal außen vor gelassen hatte, weil mir einen Vergleich zu dem Früh-Romantiker zu ziehen, zu platt erschien. Doch es gibt Verwandtschaften und es gibt deutliche Unterschiede. Die Weber’sche Darstellung einiger weniger Menschen in seinen Bildern des alpinen Kulturraums zeigt sie sehr zurückgenommen vor der dominierenden Landschaft und bezieht damit durchaus Anleihen bei der Romantik. Allerdings sind Landschaft und Natur unter Werner Webers Regie nicht sakrosankt: Sind Menschen meist abwesend, ist ihr Wirken in den Landschaften unübersehbar: eine Gondelbahn kreuzt, ein Dorf behauptet sich gegen Schneemassen, Häuser setzen Akzente. Unberührte Landschaft – selbst oberhalb der Baumgrenze – eine Fiktion, denn der Trupp Bergsteiger signalisiert: „Wir sind schon da!“ Ob mit der Übernahme des Raums die Landschaft schon verloren hat, lassen die Bilder offen. Einerseits wirkt sie immer noch gefestigt, stabil und intakt, aber farblich stark verfremdete Wolken- und Himmelsansichten lassen auch andere Schlüsse zu und deuten auf eine Erschütterung, die nicht naturgegeben ist. Die, die mich gut kennen, wissen, dass ich mit Werner eng (und schon sehr lange) befreundet bin und seine Arbeit schätze. Die, die das noch nicht wussten, wissen es jetzt. Ein Besuch seiner Atelierausstellung lohnt!

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