Wolfgang Jorzik it's about photography and other things that happen in life

Nein, ich habe keine Schmerzen.

Und das mag eher irritieren, denn die Bildgebung meines Kopfes (CT) zeigt mehrere “Raumforderer” – einer mit einem Durchmesser von annähernd 4 Zentimetern im Stammhirn. Dass solche Dinge auf der Platine keine Schmerzen verursachen, macht es nicht leichter zu einer Diagnose zu kommen. Denn erst im Nachhinein versuche ich Symptome zu sehen und zu deuten. So hatte ich bereits seit geraumer Zeit mit so genannten Wortfindungsstörungen zu tun, die ich aber nicht so wichtig nahm, weil ich oft das Gefühl hatte meinen Worten weit voraus zu denken und schneller denke als spreche. Dazu gesellte sich irgendwann ein zwanghaftes Rückwärtslesen jeglicher Schriftzeichen, “Ginohneneib” bsp., oder ein merkwürdig Verhältnis zu Zahlen, so dass ich Nummern auf einer Flitzebogenschießscheibe nicht nur einmal zu addieren hatte, obwohl ich genau wusste, dass es 920 Punkte sind, die in ausgeschriebenen Zahlen auf der Scheibe stehen. Das konnte ich leicht als Marotten abtun, weniger leicht hingegen Gleichgewichtsstörungen und riskantes Autofahren. So war mir schon bewusst, dass ich das ein oder andere Mal Abstände zu Verkehrsinseln nur eher zufällig beibehalten habe und mit meiner Fahrweise auch Familienmitglieder sehr erschreckt habe. Diese Episoden endeten dann an einem Montag auf einem Parkplatz in Leverkusen zu dem meine Frau die Polizei schickte, um Schlimmeres für andere und mich zu verhindern. Ich willigte ein, dass mich ein Rettungswagen aufnimmt und in die Klinik bringt und dort ging dann alles sehr schnell: CT vom Kopf, dann die rasche Abwicklung zur Diagnose, dass die schmerzfreien Zellen ihre Saat schon ausgebracht hätten und deswegen Dinge/Tumore im Kopf und in der Leber sprießen. So informiert wanderte ich durch die Stationen – von der Neurologie zur Onkologie zur Palliativabteilung. Nach fast drei Wochen bin ich entlassen worden und bin zu Hause. Mein Kopf wird fast täglich von den Nuklearmedizinern bestrahlt – dann meine ich blaue Wölkchen in der Stirnhöhle zu sehen und Chlor zu riechen – die Techniker meinen aber, dass es eher ein Ozongeruch sein könnte, den ich wahrnehme. Dass diese Bestrahlungen so zehrend sind, wusste ich nicht – ein Begleiteffekt ist, dass mein Geschmackssinn ziemlich durch den Wind ist und ich die Lebensmittel nur als übelschmeckende, chemisch durchtränkte Substanzen mit einem tageweise auch anschwellenden Ekelfaktor essen kann. Aber dies wird endlich sein, denn nach der Chemo und der radiologischen Bestrahlungen soll sich das wieder richten und ins Lot kommen. Und solange die Schleimhäute in Mund und Rachen halbwegs ok sind, lässt sich sogar gut Trinken: Kaltes Malzbier und ein Limonadenverschnitt sind derzeit erste Wahl, auch mitten in der Nacht, um die Nieren zu animieren.

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